Pressemitteilung zur Situation in Peutenhausen

Die Schuldigen sitzen in Berlin und München

Die Aufregung ist jetzt auf allen Seiten groß. Rechte Propagandisten versuchen unter anderem auf YouTube, die Straftaten einzelner zu nutzen, um alle Geflüchteten zu kriminalisieren. Das ist offensichtlicher, aber wohlkalkulierter Blödsinn, denn in Peutenhausen leben seit mehr als 7 Jahren Geflüchtete, ohne dass die Menschen dort Anlass hatten, sich mit Pfefferspray zu bewaffnen. Im Gegenteil, nicht zuletzt dank der Unterstützung ehrenamtlicher Helfer*innen und der Dorfgemeinschaft ist man ganz gut miteinander ausgekommen.

Auf der anderen Seite wird Menschen Fremdenfeindlichkeit unterstellt, die Angst und Un- wohlsein ausdrücken, weil sie ganz konkret erlebt haben, was alle immer schon wussten: unter den vielen Geflüchteten, die unsere Solidarität und Unterstützung dringend brauchen, sind halt – wie übrigens unter den sogenannten „Einheimischen“ auch – einige wenige, die sich nicht an die Regeln und Gesetze halten.

In beiden Fällen ist der Versuch, alle in einen Topf zu werfen, das Problem. Sebstverständ- lich sind nicht alle Flüchtlinge kriminell und ebenso selbstverständlich ist nicht das ganze Dorf gegen Flüchtlinge. Es mag einzelne geben, deren Ansichten bedenklich weit ins rechte Spektrum abdriften. Aber diese Extrempositionen sind sicher nicht repräsentativ für die gesamte Dorfgemeinschaft.

Ohne viele der engagierten Helfer vor Ort persönlich zu kennen, bin ich der Überzeugung, dass die Peutenhausenerinnen genau das umtreibt, was ehrenamtliche Helferinnen auch in Schrobenhausen und anderswo erlebt haben: mit den meisten Menschen, die zu uns kom- men, kann man gut zurecht kommen.

Der große Frust, den viele der Ehrenamtlichen davongetragen haben, wird weniger von den Geflüchteten ausgelöst, als vielmehr von den Gesetzen und bürokratischen Regularien, die für die meisten der Asylsuchenden die Integration verhindern. Wenn Menschen über 7 Jahre wegen einer angeblich schlechten Bleibeperspektive kein Sprachkurs ermöglicht wird, sie keine Arbeitserlaubnis bekommen und keine Genehmigung erhalten, aus den Unterkünften auszuziehen, dann laufen die ehrenamtlichen Integrationsanstrengungen ins Leere. Da sind Geflüchtete, die sich integrieren wollen. Da sind Ehrenamtliche, die sie dabei unterstützen wollen. Da sind Unternehmen, die höchstes Interesse an Mitarbeitenden haben. Aber alle miteinander scheitern an einer Asyl- und Einwanderungspolitik, die nach wie vor – allen Sonntagsreden zum Trotz – auf Ausgrenzung, Abschottung und Abschreckung setzt, obwohl wir seit Jahrzehnten erleben, dass das alles nicht funktioniert.

Wollen die Peutenhausener keine Flüchtlinge mehr? Oder haben sie nur die Praxis der Zu- weisung und der staatlich organisierten Verantwortungslosigkeit satt. Die Grabscher von Peutenhausen sind in eine andere Unterkunft verlegt worden. Dort kümmert sich aber ge- nauso wenig jemand um sie wie hier. Es fehlt eine sozialpädagogische Betreuung, die aber weder von der unterbesetzten Asylsozialberatung noch von den Unterkunftsbetreuern des Landratsamtes und erst recht nicht von Ehrenamtlichen geleistet werden kann. In Schrobenhausen gab es vor einigen Jahren dasselbe Phänomen mit dem Freibad-Grabscher. Der war woanders unterhalb der Schwelle „Haftstrafe“ auffällig geworden und wurde deshalb von der Regierung von Oberbayern von dort hierher in die alte Grundschule verlegt, ohne dass irgendwer in Schrobenhausen auf die mögliche Gefährdung hingewiesen worden wäre. Es ist genau diese Praxis, die das Klima vergiftet. Denn am Ende müssen die Menschen vor Ort ausbaden, was in Berlin und München versäumt wird.

Leider ist auch die neue Bundesregierung mit ihren Hausaufgaben in Verzug, das ist nicht nachvollziehbar und unerträglich. Viele Menschen, die aus Afghanistan geflohen sind, leben hier seit über 7 Jahren in einem laufenden Verfahren ohne einen Aufenthaltsstatus, der es ihnen erlaubt sich hier eine Existenz aufzubauen. Jedem Tagesschau-Zuschauer ist klar, dass sich die Situation in Afghanistan nicht verbessert und deshalb selbst bei Menschen, denen kein Asyl gewährt werden kann, an eine Rückführung nicht zu denken ist. Aber anstatt daraus endlich die einzig vernünftige Konsequenz zu ziehen und diese Menschen wenigstens jetzt schnell zu integrieren, kann sich die Bundesregierung bis heute nicht dazu durchringen, die entsprechenden Beschlüsse zu fassen und die laufenden Verfahren abzukürzen. Ebenso fehlt eine klare Anweisung der Staatsregierung an die Ausländerbehörden, ihrerseits alle laufenden Verfahren zu beschleunigen. Dafür könnte Personal, das in der Covid-Nachverfolgung der Gesundheitsämter nicht mehr gebraucht wird, eingesetzt werden.

Jetzt werden Afghaninnen und Afghanen bundesweit über BAMF und Verwaltungsgerichte Abschiebungsverbote angeboten, es dauert aber immer noch ein halbes Jahr und mehr, bis diese Menschen damit eine Aufenthaltserlaubnis in der Hand haben. Aber nur mit dieser Aufenthaltserlaubnis haben die Geflohenen den rechtlichen Status, mit dem sie arbeiten dürfen, der ihnen Spracherwerb und den Umzug in eine eigene Wohnung ermöglicht.

Es ist geradezu sträflich, dass diejenigen, die in Berlin und München Verantwortung tragen, es nicht schaffen, hier die dringend notwendige Zeitenwende einzuleiten. Stattdessen lassen sie uns weiter auf einer Zeitbombe sitzen. Wenn es dann wie in Peutenhausen knallt, schaut die Öffentlichkeit verwundert und erschreckt dorthin und schimpft wahlweise über undankbare Flüchtlinge oder eine angeblich fremdenfeindliche Dorfbevölkerung. Nur über die wirklich Verantwortlichen und ihre Untätigkeit wird nicht gesprochen.

Mit freundlichen Grüßen

Joachim Siegl

Referent für Integration und Inklusion
im Stadtrat Schrobenhausen